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Aktuelles

Heimat muss immer errungen werden

Neue Reihe „Godesberger Gespräche“ begann im Schauspielhaus

Von Dieter Brockschnieder

Bonn. Heimat, was ist das? Für den einen ist sie sein Geburtsort, für den anderen die Gemeinde, in der er gerade lebt, für noch einen anderen seine Familie oder der Mensch, mit dem er unter einem Dach wohnt.

Die Antworten auf diese Frage sind also weit gefächert, und man kann lange darüber diskutieren. Das Schauspiel Bonn und die katholische Kirche Bad Godesberg nahmen sie als Thema ihrer neuen gemeinsamen Reihe „Godesberger Gespräche“, mit denen beide Institutionen Perspektiven für die Stadtgesellschaft entwickeln wollen. Der „Heimat“ stellten die Veranstalter den Begriff „Aufbruch“ gegenüber.

Dass dieses Wortpaar nur ein scheinbarer Gegensatz ist, machte in einem Eingangsstatement im Godesberger Schauspielhaus Dr. Frank Vogelsang, der Direktor der Akademie der Evangelischen Kirche im Rheinland, deutlich. Die Heimat, sagte er, weise auf das Vertraute, Vergangene, während der Aufbruch auf die Zukunft ziele, doch man müsse beide Begriffe zusammensehen: „Ohne Heimat kein Aufbruch, ohne Aufbruch keine Heimat“. Die ganze Menschheitsgeschichte sei „ein ständiges Aufbrechen“, auch in der Bibel fordere Gott die Menschen dazu auf, ihre Heimat zu verlassen und seiner Verheißung zu folgen. Heimat müsse daher immer wieder neu errungen werden, nämlich über die soziale Verbundenheit, die einen präge. Vogelsang: „Verbundenheit ist die Ressource, die gepflegt werden muss.“ Heimat könne dabei „nicht die Norm sein, auf der wir unser Leben aufbauen“.

Seine Gesprächspartner auf dem Podium bestätigten das: Schauspieldirektor Jens Groß ist in München geboren worden und hat die Stadt mit 19 Jahren verlassen, ging nach Wien und von dort nach einer Buchhändlerlehre als Schauspieler und Dramaturg an verschiedene Theater in Deutschland; seit der Spielzeit 2018/19 wirkt er am Schauspiel Bonn. Wenn er in seinen Geburtsort zurückkehre, sieht er ihn unverändert, aber er habe sich selbst verändert, während die Dagebliebenen die gleichen geblieben seien. Heimat ist für Groß auch „eine Frage der Neugier“. Gianluca Carlin, der Leitende Pfarrer von Bad Godesberg, stammt aus Triest, einer Großstadt im Nordosten Italiens an der Grenze zu Slowenien. Heimat heißt für ihn: Beziehungen, der konkrete Ort dafür sei die katholische Kirche. Um Heimat zu finden, sagte er, müsse man sich auseinandersetzen. Frank Vogelsang wurde in Wuppertal, wuchs in Westfalen auf und wohnt jetzt in Brühl, das er „als Heimat verortet“.

Heimat, so das Fazit der Diskussion, „muss immer neu errungen und gestaltet werden“ (Vogelsang); Heimat und Gemeinschaft seien „ein ständiger Erfahrungsprozess“ (Groß). Kirche und Theater seien die Begegnungsstätten, in denen dieser Prozess versucht werde.

Leider, gestand der Schauspieldirektor am Ende des Abends ein, gelinge es dem Theater nicht, „die Gesellschaft abzubilden. Kein Migrant kommt zu einem solchen Abend, wir bieten ihnen zu wenig Programm.“

Die nächsten „Godesberger Gespräche“ finden am 17. Mai, 19.30 Uhr, im Pastoralen Zentrum St. Marien, Burgstraße 43a, statt. Dann geht es um die Stadtentwicklung in Bad Godesberg. Zu Gast ist Bezirksbürgermeister Christoph Jansen.


Kommentar

Vorbild Biennale

Schauspieldirektor Jens Groß hat zum Schluss der „Godesberger Gespräche“ einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Kein Migrant kommt zu solchen Abenden, wir bieten ihnen zu wenig Programm“. Da hat er Recht. Das deutsche Theater ist meistens zu verkopft, als dass es jemand, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, verstehen könnte. Und das kleine, über alle sprachlichen Grenzen springende Stück Sinnlichkeit, das Regisseure den Zuschauern bieten, wird zumeist mit einem theoretischen Überbau wieder zugekleistert.

Dabei könnte das Bonner Theater von seinem früheren Intendanten Manfred Beilharz lernen: Mit seiner Biennale holte er alle zwei Jahre neue, spannende Stücke aus ganz Europa nach Bonn, denen deutsche Zuschauer – oft mit Hilfe von Simultandolmetschern – auch folgen konnten, wenn sie etwa des Serbischen oder Polnischen nicht mächtig waren. Beilharz ging nach Wiesbaden und nahm die Biennale mit.

Aber deswegen muss die Idee ja nicht vom Tisch sein. Warum bieten Groß und seine Leute nicht nach ähnlichem Muster Migranten in ihrer Muttersprache Theaterstücke an? Dann kämen sie vielleicht ins Schauspielhaus, das sich der Stadtgesellschaft öffnen möchte. Der Integrationsrat wäre sicherlich gerne behilflich bei der Werbung.

 

Text: Dieter Brockschnieder

Bild: © gemeinfrei, in: pfarrbriefservice.de